„Machtmissbrauch“! „Einschüchterungsversuch“! Er ist mir zu nahe gekommen! Er hat verbal um sich geschlagen! Er hat mit seiner Körpergröße bedrohlich gewirkt (!) Kurz: Die Synodalversammlung sei „kein sicherer Ort“. Und das für eine Frau! Ernsthaft?
Was verbal nach einem saftigen #Metoo-Skandal auf dem Flur des Synodalen Weges klingt, und gerade medial durchs Kirchendorf getrieben wird, entpuppt sich schon auf den ersten Blick als aufgebauschte Inszenierung einer jungen Frau, die sich selbst als Opfer eines Diskurses fühlt, den sie zwar selbst gesucht hat, dem sie dann aber offensichtlich nicht gewachsen war.
Die Sache taugt aber auch als Lehrbuchbeispiel für die Unfähigkeit einer ganzen politisch-aktivistischen Generation, die ihre eigene Debattenunfähigkeit als Fortschritt der Toleranz missversteht und andere Meinungen als Angriff auf die eigene Person empfindet. Und Gefühle sind ja bekanntlich die neuen Fakten für die woken Mitglieder der „Generation Schneeflocke“. Warum sollte das im kirchlichen Kontext anders sein, als in jeder politischen Aktivistentruppe?
Kommen wir zu den Fakten: Eine junge Frau greift im Vorfeld öffentlich und dann auch in direktem Redebeitrag in der Synodalversammlung (siehe Video von der Versammlung hier) Kardinal Woelki an. Später muss sie mal aufs Klo, und auf dem Flur trifft sie Woelki, der sie anspricht. Sie diskutieren 5 Minuten lang. Ein normaler Vorgang zwischen zwei Teilnehmern auf einer großen Konferenz. Er will sich verteidigen, seine Sicht darlegen, immerhin hatte sie den Angriff vor versammelter Mannschaft, er nutzt den persönlichen Weg ohne Publikum spontan (wir kennen nur ihre Zusammenfassung des Wortlautes aus ihrem eigenen Video). Danach fühlt sie sich überfordert nach diesem Zusammentreffen. Ihre Überforderung empfindet sie im „Nachhinein“ wiederum als „Einschüchterungsversuch“, den sie nun wiederum öffentlich jetzt in einem Video anprangert.
Kürzer gesagt: Zwei Menschen unterschiedlicher Meinung haben als Teilnehmer derselben Konferenz auf dem Flur miteinander geredet. Man wird sich nicht einig. Einer von beiden geht als Verlierer raus.
Ganz kurz: Wem es in der Küche zu heiß ist, der sollte nicht Koch werden.
Wer sich einen persönlichen Eindruck machen will, mag Violas Erfahrungsbericht mit dem Machtmissbrauch auf dem Flur gerne selbst anschauen, hier als Videobotschaft auf ihrem Instagram-Profil. Für jene deren Lebenszeit begrenzt ist, und/oder die nicht mit dem ewigen Leben rechnen, oder gar, dass es dort weiterhin kostenlos WLAN gibt, hier eine Steno-Kurzfassung:
Es fällt ihr total schwer, dass jetzt hier zu sagen, aber es ist natürlich sehr wichtig, dies zu teilen. Die Synodalversammlung sei „kein sicherer Ort“, da finde „genauso Machtmissbrauch“ statt. Und das sei ganz vielen Menschen nicht bewusst. Einschüchterungsversuch.
Sie musste aufs Klo, er habe sie „abgefangen“ ((Sind Sie nicht die junge Frau, die sich da vorhin zu Wort gemeldet hat?) 5 Minuten Gespräch, die ihr aber „viel länger vorgekommen“ seien. Er sagt sie sei zu emotional, will Grundlage der Vorwürfe hören. Sie sei Schuld, dass er sich schon wieder rechtfertigen müsste (Nicht von der Hand zu weisen) Er habe gefragt, was sie ihm denn vorwerfe. Sie sagt, seinen Umgang mit den Missbrauchsbetroffenen. Er sei „sehr nahe vor mir gestanden“, das sei ihr „krass unangenehm“ gewesen. Und dann sei er auch noch größer als sie (auch das noch, wie empörend dieser Körperbau) und habe mit der Autorität seines Bischofsamtes geredet (Ja als was denn sonst? Und hat sie ihn nicht auch als Bischof angeriffen?) Sie sagt ihm „ins Gesicht“ er soll zurücktreten. Er sagt: Ich muss jetzt wieder in die Versammlung. Sie sagt: Ja ich auch. Geht stattdessen dann doch endlich aufs Klo. Dort sei sie irgendwie auch „zusammengeklappt“ und habe auch ihr Zeitgefühl verloren. Findet aber Zeit ihre Freunde zu informieren. Weiß nicht, wie sie jetzt in die Versammlung zurück soll, (ja, kann man verstehen) jetzt da er „seine Macht ausgespielt hat“. Aber sie habe dann auch noch mit Georg Bätzing geredet (immer ein offenes Ohr für Viola!) und sie ist gespannt ob da etwas dagegen unternommen wird, das so ein Machtmissbrauch passieren kann.
Es lohnt dennoch, diese Nichtigkeit, die hier gerade in einer Tonalität aufgebauscht wird, als habe sich ein Bischof nahezu übergriffig auf offenem Flur einer jungen Frau genähert, um sie einzuschüchtern, genauer zu betrachten, denn immerhin geht es hier um Kardinal Woelki, und immerhin wird es auf der Schaubühne der Öffentlichkeit ausgetragen. Nicht weil er es provozierte, um sie bloßzustellen, sondern weil sie die Konfrontation suchte, jedenfalls in jenen Rahmen, in denen sie sich sicher fühlte: Unter Gleisgesinnten, in der Versammlung oder auch auf ihren Social Media Kanälen. Also in ihren eigenen „sicheren Orten“. Nur eines hat sie überfordert: Das direkte Gespräch mit dem Mann selbst.
Nun ist Woelki schon allein optisch und im Habitus als Mensch in seiner Harmlosigkeit kaum mehr zu überbieten, steht aber zentral und auch exemplarisch im Kreuzfeuer jener innerkirchlichen und auch medialen Kräfte, die es gerne gesehen hätten, dass er und andere Bischöfe wegen der Missbrauchsfälle innerhalb der Kirche seinen Stuhl räumt.
Viola Kohlberger wiederum ist langjährige Pfadfinderin und gehört auf dem Synodalen Weg der Gruppe der 15 „jungen Synodalen“ an. Ihr besonders inhaltliches Steckenpferd ist eine Absage an römisch-katholische Lehrmeinungen und vor allem an das derzeitige „Würdeverständnis“ der Kirche, das „unserer Wahrnehmung nach noch immer geprägt (ist) von Ungleichheit und einer Absage an die Autonomie des Menschen. Dies ist die Grundlage für die Diskriminierung unter anderem von Frauen, Inter- und Trans*personen, gleichgeschlechtlich Liebenden und allen anderen queeren Identitäten. So wird ein Machtsystem gestützt, dessen negative Konsequenzen zum Beispiel in der MHG-Studie dargelegt wurden.“, wie es auf der Seite der Pfadfinder nachzulesen ist. 2000 Jahre Auslegung des christlichen Menschenbildes kann also getrost auf den Müll, denn die Pfadfinder Augsburg beschreiten neue Wege. Es ist nicht das erste Mal, dass Frau Kohlberg ihre Meinung kundtut, dass sie die Lehre der Katholischen Kirche insgesamt als diskriminierend ablehnt. Aber ihre Selbstreflexion als „“Synodengänger*in“ und „weiße Cis-Frau“ ist zumindest deutlich fortschrittlicher als bei jenen, die sie unter „Woelki, Schwaderlapp und Co.“ gerne auf der unsensiblen Seite zusammenfasst: Sie könne an vielen Stellen nur erahnen, was so viele Menschen täglich erleiden müssen. Das junge Leiden der Viola K. ist jetzt jedenfalls überall ausführlich medial dokumentiert.
Kein sicherer Ort – Safe Space für Alle
Nun lautet der zentrale Begriff, diese Versammlungen des Synodalen Weges seien „kein sicherer Ort“, dort drohe Machtmissbrauch und Gewalt. Das ist ein durchaus harter Vorwurf. Ähnlich nutzte es vor Kohlberger auch schon die Synodalteilnehmerin Mara Klein als Vorwurf, die gesamte Kirche sei „kein sicherer Ort“ für queere Menschen. Der sogenannte Safe Space, den es zu erreichen gilt als rettendes Ufer vor anderen Menschen, Sexualitäten, Geschlechtern, in der Regel vor Männern, ist in der gesamten Rhetorik der Feminismus und LGBT-Lobby fest verankert.
Vielleicht wäre es für Frau Kohlberger und ihre „Freund*Innen“ besser, sie besuchten nur noch Konferenzen, die nach dem Vorbild der Transgender Konferenz an der Universität Roehampton in London organisiert sind. Dort wurde allen Teilnehmern am Eingang drei verschieden farbige Namenschilder ausgehändigt, mit denen sie nach einer Art Ampelsystem wortlos signalisieren konnten, ob sie emotional bereit sind, mit ihrem Gegenüber in ein Gespräch einzutreten. Man wollte einen „Safe Space“ des Nicht-Angesprochen-Werdens für alle organisieren, damit verhindert wird, dass jemand sich durch ein unerwünschtes Wort in der Kaffeepause gerade emotional überfordert sieht. Wie hilfreich wäre das für Kardinal Woelki doch gewesen, schon via Namensschild zu erfahren, dass Frau Kohlberg zwar selbst sprechen aber nicht angesprochen werden will!
Das war in England wohlgemerkt nicht die Montagssitzung einer nervösen Selbsthilfegruppe, sondern eine akademische Konferenz auf dem Boden einer freien Universität. Grünes Namensschild signalisierte: „Ich wünsche mit anderen Delegierten zu sprechen und freue ich, wenn sie mich ansprechen“, gelb sollte aussagen: „Wenn ich den Wunsch habe zu sprechen, werde ich auf Sie zukommen“ und rot sollte aussagen: „Ich wünsche nicht mit anderen Delegierten zu sprechen“.
Dass an Universitäten bereits gedankensichere Räume, sogenannte „Safe Spaces“ errichtet werden, ist in den USA und England schon lange an der Tagesordnung. Niemand soll durch unsensible Meinungen oder Fakten verletzt werden. Es gibt Vorlesungen, die garantiert trans-queer-gerecht und unbedingt rassismus- und sexismusfrei sind. Da werden auch schon mal Literaturklassiker von Lernlisten gestrichen. Oder mit „Trigger-Warnungen“ versehen. Da werden Dozenten niedergebrüllt, Zeitungen und Musik verboten, und Studentengruppen vom Campus verbannt, wenn sie etwa nicht für, sondern gegen Abtreibung aktiv werden. Alles geschieht natürlich nur im Namen von Fortschritt und Toleranz. Belästigt mich nicht auf meiner rosaroten Wolke. Sprich mich verdammt noch mal nicht an!
Agressor ist dabei immer der vielzitierte „alte weiße heterosexuelle Mann“, Opfer sind alle anderen Geschlechter, Sexualitäten und Hautfarben. Die Welt der Schneeflocke ist einfach strukturiert. Es fehlt höchstens noch ein weiteres Licht auf der Ampel und das farbliche Schild für jene, denen man den Mund ganz verbietet, damit jeder weiß, wer hier gar nicht mehr sprechen sollte. Im Mittelalter klappte das doch auch wunderbar mit diesen Pranger-Schildern, die man um den Hals trug.
Wenn eine zweite Meinung oder gar ein unerwünschtes Ansprechen durch einen anderen Menschen aber als Agression gewertet wird, ist der Diskurs bereits lange tot. Der Synodale Weg ist auch hier unterwegs Richtung Sackgasse.