Sind wir nicht alle ein bisschen Bono? – Oder: Promi-Elend in Zeiten von Corona

Warum kann er nicht einfach Fußballspielen und den Mund halten? Wieso kann sie nicht einfach singen und gut ist? Warum spielt er nicht einfach Klavier oder schreibt einfach harmlose Katzenbücher, sie nicht einfach nur hübsche Frauenromane, warum muss er jetzt auch noch Politik machen, anstatt einfach Theater zu spielen oder Filme zu drehen? Es sind immer erschütternde Momente, wenn Prominente als unsere letzten Helden entzaubert werden, sie uns enttäuschen, erstaunen, frustrieren oder empören und wir feststellen: sie sind auch nur Menschen. Aber anders als wir dachten. Sie haben Meinungen, die man abstrus finden kann, Launen, die man ihnen nicht zugetraut hätte oder politische Ansichten, die einen entsetzen. Früher bekam man es einfach nicht mit. Konnte sich einfach an einem Musikstück, einem Film oder einem Fußballspiel erfreuen, weil man nicht wusste, dass ein Irrer auf dem Platz aufläuft. Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als man Kevin Spacey in House of Cards noch öffentlich lieben durfte?

Heute gibt es das Internet, Facebook, Twitter und Instagram und nun wissen wir alles aus der Helden-Kategorie, „Wie konnte das nur passieren?“, als auch, wie wir uns korrekt dazu zu verhalten haben, wollten wir nicht in Kontaktschuld mit schwierigen Meinungen geraten und digital anecken. Harry Potter Fans können gerade ein Lied davon singen.

Fußballer Mesut Özil liebt seinen Präsidenten Erdogan, Attila Hildmann leider nicht nur Gemüse. Der Wendler hat sich um Kopf und Kragen geredet. Bei Dieter Nuhr und Lisa Eckhart ist für viele inzwischen Schluss mit lustig. Gerade irritiert Nena mit Gotteszuversicht, Xavier Naidoo war bereits auf der Halde der Verschwörungstheoretiker entsorgt, und heute morgen entzündet sich medial die Debatte, ob man den Pianisten Igor Levit unbedingt künstlerisch großartig finden muss, auch wenn die wenigsten ihn durch Klavierkonzerte, sondern eher durch seinen „Kampf gegen rechts“ auf seinem Twitteraccount kennen – und ob man das auch genauso mal sagen kann oder dies gar in der Süddeutschen Zeitung schreiben darf. Der Sturm der Entrüstung im Twitter-Fandorf tendiert zur Stunde Richtung: „Man darf nicht“.

Die Umkehrung gilt ja auch: Darf man Prominente kritisieren, die vermeintlich politisch das richtige tun, künstlerisch aber nicht, oder nur jene, die eigenwillige Wege gehen? Wenn Til Schweiger und Dieter Hallervorden Corona-Maßnahmen hinterfragen, unterstellt man beiden, sie hätten nur Honig im Kopf. Wenn Peter Maffay tagesaktuell seine Musikerkollegen maßregelt, die Corona „leugnen“, weil sie der Gesellschaft schadeten, kann er auf Applaus hoffen.

Muss ich es großartig finden, wenn Sportler demütig in die Knie gehen als „Zeichen“ für die #BlackLivesMatter-Bewegung, oder kann ich das kritisieren, auch ohne als Rassist zu gelten? Was ist, wenn mir der DFB auf den Geist geht mit Fußball-Stadion-Aktionen gegen Rassismus und für Toleranz, weil ich einfach Fußball schauen will und nicht noch beim Sport gutmenschelnd belehrt werden will? Schuster bleib bei deinen Leisten sagt uns ein altes deutsches Sprichwort. Der Satz hat es leider nicht bis ins digitale Zeitalter geschafft und ist unbemerkt entsorgt worden. Jeder Prominenten hat heute zu allem eine Meinung und anstatt einfach Tore zu schießen, Lieder zu singen oder zu Schauspielern muss jetzt parallel das Klima oder die ganze Welt gerettet werden. Heute muss auf Bühnen, in Fußballstadien vor Fernsehkameras und auf Talk-Show-Stühlen zunächst ein Zeichen von Toleranz und Anti-Rassismus gesetzt werden und natürlich muss Gesicht alternativ Haltung gezeigt werden immer wenn irgendwo eine Minderheit geschützt, eine Kröte vor dem Aussterben gerettet, eine Frauenquote erreicht, ein vermeintliches Recht errungen, ein vermeintliches Unrecht verurteilt oder ein Kollege gemaßregelt werden muss. Alle sind irgendwie ein bisschen Bono, das Gutmenschentum ist prominentes Kernland.

Und nein, es ist ja auch nicht alles schlecht, viele Prominente bewirken mit ihrem Bekanntheitsgrad auch viel Gutes. Sammeln Geld gegen die Armut, retten Kinderleben, kämpfen für Bildung und Menschenrechte oder gegen AIDS. Ja die Live-Aid-Konzerte von U2-Sänger Bono haben viel Geld eingespielt gegen den Hunger auf der Welt. Prominente haben heute eine andere Reichweite als früher und damit öffnen sich Optionen, aber es verschärft auch den Konflikt in der Frage, kann man zwischen Künstler und Kunst noch unterscheiden und darf man das überhaupt noch, ohne sich in Sippenhaft verdächtig zu machen, neben der Kunst auch mit den politischen Ansichten eines Künstlers zu sympathisieren?

Welche künstlerischen oder menschlichen, Eskapaden verzeiht das geneigte Publikum, welche nicht? Drogendelikte, sexuelle Eskapaden und ab und zu ein zerlegtes Hotelzimmer gehörten früher zur Berufsbeschreibung eines durchschnittlichen Rockstars. Niemand fragt damals nach einer Vorbildfunktion. Politisch war die Künstlerszene schon immer links, kiffte sich ins Nirvana. Man ist gegen Atomkraft, für LGBT-Rechte, ein bisschen Che Guevara, besitzt eine Lebensmitgliedschaft bei Amnesty International und PETA, ein ZEIT-Abo, zeigt Haltung gegen Rechts, Nazis raus! No Borders!  Und natürlich ist der postnationale künstlerische Weltbürger auf Mission für den Weltfrieden. Alle sind ein bisschen Bono. Das tut nicht weh und sichert Preise, die man sich gegenseitig in unendlicher Güte und Bewunderung verleiht. Die Vorsitzende der Jury bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises trägt gut sichtbar auf dem T-Shirt das Logo der Antifa. Alle Bullen sind Schweine, auch das ein Erkennungsmerkmal politisch korrekten Engagements.

Der deutsche Karneval und die Kölner Oberbürger- und auch Meisterin der Armlänge Abstand, Henriette Reker, verleihen am Wochenende der „Kapitän*in“ Carola Rackete einen Karnevals-Orden. Im Moment besetzt sie nicht Weltmeere und steuert illegal europäische Häfen mit illegalen Flüchtlingen an Bord an, sondern besetzt Bäume, um sie vor dem Sterben zu retten und um den Bau von Autobahnen zu verhindern. Na wenn das mal nicht die Auslobung eines Sonderpreises rechtfertigt! Sie verdiene unser aller Bewunderung, lassen die Stifter des Preises uns wissen. Carola sitzt derweil im verregneten Forst und hütet Bäume. Ihr mache das auch keinen Spaß, lässt sie die mediale Fangemeinde wissen. Uns auch nicht Carola, ehrlich, uns auch nicht. Aber das ist uns doch einen Preis wert! Und der Kölner Karneval muss ja auch was tun, jetzt wo er wegen Corona nicht stattfinden kann.

Flüchtlinge und Bäume retten, damit ist man als Künstler, Prominenter und „Aktivist“ politisch auf der sicheren Seite und Märtyrer des Guten – und jedenfalls nicht einer dieser „Corona-Leugner“,  der sich Sorgen macht über eine Politik im Panikmodus oder der gar den zunehmenden Eingriff in Bürgerrechte, als auch den Ruin von Kunst, Kultur und Wirtschaft durch Corona-Maßnahmen kritisiert und beklagt. Und damit zielsicher die falschen Themen beackert und nie einen Preis dafür bekommen wird, außer als „Covidiot des Monats“.

Nun ist auch der Beziehungsstatus von Kunst und Publikum kompliziert geworden. Was heißt das für den Fan, wenn „sein“ Promi all dem nicht oder nicht mehr entspricht? Wird man zukünftig entfreundet bei Facebook, wenn man noch Attila-Hildmann-vegan-Rezepte postet, weil man sie einfach lecker findet? Eine meiner absoluten Lieblingsplatten ist „Nicht von dieser Welt“ von Naidoo aus dem Jahr 1998. Darf man das noch unbefangen hören oder gar anderen empfehlen, ohne dass man sich für jeden Halbsatz des Sängers vereinnahmen lassen muss?

Gerade steht nun die Sängerin Nena am Pranger. Sie vertraut auf Gott, will nicht in Panik verfallen bei Corona, setzt auf die Kraft der Liebe, teilt sie dem Publikum über Instagram mit. OK, jeder der eine Staffel „The Voice of Germany“ mit ihr in der Jury gesehen hat, weiß, Nena ist zwar ein bisschen esoterisch verstrahlt, aber harmlos. Dennoch wird sie nun in eine Reihe gestellt mit den Hildmanns, Wendlers und sonstigen neubenannten prominenten „Covidioten“. Und hat sie nicht gar öffentlich Herzchen getauscht bei Naidoo?  Damit sollte der Vollstreckung der Exekution an der digitalen Guillotine nichts mehr im Wege stehen.

Nun bin ich kein Nena Fan. Sie hatte mich als Jungjournalistin bereits vor über 20 Jahren menschlich restlos entzaubert zurückgelassen. Die 99 Luftballons zerplatzen, nachdem ich sie interviewen sollte und sie sich als unfassbare Zicke entpuppte. Ich mochte dennoch ihre Musik. Und seit wann ist Gottvertrauen eigentlich ein Sakrileg?  Ich mag sie also nicht, gerade ist mir dennoch danach, sie zu verteidigen, weil es nicht sein kann, dass eine erfolgreiche deutsche Sängerin gerade fertig gemacht wird, nur weil sie nicht in Panik verfallen will und soweit man es beurteilen kann, Mut machen wollte, nicht an der Corona Situation zu verzweifeln, sondern der Zukunft hoffnungsvoll entgegen zu sehen.

Dass nahezu reflexhaft nun auch sie in eine Reihe mit Verschwörungstheorien gestellt wird, sagt weniger etwas über sie selbst aus, als eher etwas über einen Gesellschaft, die neuerdings Gelassenheit verdächtig findet und den Panikmodus für eine politische Tugend hält.

Spontan fiel mir wieder Greta Thunberg ein mit ihrer Rede beim Weltwirtschaftsforum 2018 in Davos und dem seither nachhallenden Satz: „Ich will dass ihr Panik geratet“, was es inzwischen gar als Buchtitel gibt. Sie wollte den Panikmodus wegen des Klimas, jetzt kam ihr ein Virus zuvor. Schon damals irritierte der Applaus des weltweiten Establishments angesichts eines Teenagers, der mit Angst und Panik regieren wollte.

Merke: Panik und Angst sind nur bei den richtigen Themen angemessen oder gar geboten. Die falschen Ängste zu haben sind voll rechts, unbegründet und Hetze. Angst vor dem Weltuntergang, Feinstaub und Corona ist hingegen Bürgerpflicht. Hoffnung auf Gott ist irrational, Hoffnung auf Herrn Drosten, alternativ die Kanzlerin, allerdings das Mindeste.

Prominente sind auch nur Menschen. Vielleicht ist es die nüchternste Erkenntnis der aktuellen politischen Debatten. Sie sind nicht besser und nicht schlechter als wir selbst. Ihre Reichweite ist nur höher, als die der meisten Normalbürger, das Publikum deswegen größer. Das kann nützlich sein, oder auch beängstigend. Es gibt also weder einen Grund, sich über sie zu erheben, noch sich von ihnen belehren zu lassen.

Meine wichtigste Erkenntnis zu den Mechanismen von Politik im digitalen Zeitalter verdanke ich übrigens einem meiner Söhne, er war damals 12 Jahre alt. Wir waren zu Tisch in politischer Diskussion verstrickt, ich versuchte verschiedene Sichtweisen auf ein Thema zu erörtern, während er bereits eine felsenfeste Ja-aber-trotzdem-Meinung dazu hatte. Er ist mein Sohn, ich finde es grundsätzlich gut, dass er die Standfestigkeit hat, jedem zu widersprechen, auch seiner Mama. Auf meine Frage damals, woher er das alles so sicher wisse, sagte er, er habe dazu ein Video gesehen, von diesem Youtuber (nein, nicht der, mit den blauen Haaren). Und als ich fragte, woher er denn wisse, dass dieser Herr Youtuber Recht habe, bekam ich die Antwort: „Mama, er hat 2 Millionen Follower! 2 Millionen!“
Ich habe bei Twitter nur gut 42.000, ich kann als Wahrheits-Instanz also abdanken.


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