Aussterben für das Klima

Weltuntergangs-Neurosen für Fortgeschrittene brauchen normalerweise immer mal wieder einen neuen Gedanken. Keine Kinder für das Klima, wegen der Überbevölkerung und dem CO2-Fußabdruck eines Menschen ist als These alt, gerade abermals dennoch wieder im medialen Raum. Die bewusst kinderlose, pardon, sie sagt, „kinderfreie“, Lehrerin Verena Brunschneider tut gerade alles, um ihr aktuell erschienenes Buch zum selben Thema zu promoten.  Kurz zusammen gefasst vertritt sie die These, dass sie als kinderlose Feministin immer in Rechtfertigungsdruck sei, weil die Gesellschaft aka das Patriarchat ständig seine Mutterschaftserwartung an sie heranträgt.  Zweitens, Eltern bekämen sowieso nur Kinder, weil sie Egoisten seien und es ihnen ums Geld ginge, das sie ja offenbar ständig hinterhergeworfen bekommen wegen der Blagen. Und nicht zuletzt, könnten mit jedem nichtgeborenen Kind über 58 Tonnen CO2 eingespart und damit ein wertvoller Beitrag zur Rettung des Weltklimas geleistet werden. Eltern sind also Klimasünder, das lässt sich nicht mal mit lebenslänglichem, veganen Radfahren wieder aufholen. Demnächst folgt sicher der Bestseller „Abtreibung – Schöner töten für das Klima“, aber wir wollen nicht vorgreifen. 

Steile Thesen sind immer gut für den Aufmerksamkeitswettlauf auf dem überreizten Buchmarkt. Wenn man dann noch im Vorbeilaufen ein paar Millionen Eltern beleidigen kann und das ganze mit einer satten Portion moralischer Überhöhung untermauert ist es fertig, das Buch für neurotische Frauen jenseits des Gebärzwangs.

Nur neu ist der Gedanke wie gesagt nicht. Dass wir zu viele Menschen auf der Erde sind und in diese hoffnungslose Welt keine weiteren Kinder mehr setzen sollten, hab ich persönlich mit neun Jahren in der großen Pause auf dem Schulhof das erste Mal schon gehört. Damals von der Zahnarzttochter Marion, meiner neuen besten Freundin nach dem Einwandern in Deutschland. Ihr Zimmer im elterlichen Bungalow war größer als unsere ganze Wohnung, ihre Eltern im Wohlstandsstress. Keine Kinder aus politischen Gründen und um die Welt zu retten: Herrje, das ist nicht neu. Der Club of Rome verbreitet seine entsprechenden Weltuntergangs-Orakelsprüche und die Mahnung, weniger Kinder, um den Planeten zu retten schon seit den 70er Jahren. Wahrscheinlich war Frau Brunschneider damals schon geboren und hatte Glück, das ihre eigene Mutter nicht bereits im feministischen Gebärstreik mit Klein-Verena war, sonst wäre uns heute ja viel Spaß entgangen.  Der kollektive Freitod bewusster Klima-Rettungs-Lemming wäre in diesem Zusammenhang übrigens die konsequenteste Variante ökolgischer Eigenverantwortung. Man kann ja einem unschuldigen Neugeborenen nicht seinen CO2-Ausstoß vorwerfen und gleichzeitig selbst weiter atmen!

Vielleicht hat sie die Thesen aber auch einfach nur bei der britischen Frauen-Gruppe „BirthStrike“ geklaut. Das sind englische Frauen im Gebärstreik, weil unsere Welt am Rande einer Katstrophe stehe, sie sich hoffnungslos fühlen und sie diese Angst vor dem Verlust der Biodiversität der Erde auch nicht an eventuelle Kinder weitergeben wollen. Bewusste Kinderlosigkeit, um eigene Neurosen nicht weiter zu vererben, finde ich übrigens in diesem Zusammenhang das erste vernünftige Argument gegen Kinder. Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs sind als Supermoms wirklich schlecht zu gebrauchen. Argumentativ sind die Kinderlos-Damen von der Insel übrigens ziemlich nah dran an der 16-jährigen Klima-Greta aus Schweden, die ja ebenfalls wegen Klima-Panik streikt, allerdings nicht beim Gebären, sondern beim Schulbesuch. Ich bin sicher, das Welt-Kima ist schon schwer beeindruckt ob dieser zahlreichen, neuen Aktivitäten engagierter Mädchen und Frauen. 

Doch zurück zu Gebärstreik-Verena aus Deutschland. Was soll ich sagen so als Klimaleugnerin mit vier Kindern? Heul leiser? Mir persönlich ist es ja grundsätzlich egal, ob andere Menschen Kinder haben oder wollen. Ich habe schon immer die Meinung vertreten, dass es wahrscheinlich sogar besser ist, wenn jene, die partout keine Kinder haben wollen, auch mal besser keine kriegen.  Aber was soll diese moralische Untermauerung mit der Klimarettung?  Reicht es nicht, einfach zu sagen, ich mag mein kinderloses Leben und das ist auch gut so? Geht doch. Heutzutage kann man sich auch einfach in einem kinderfreien Hotel einbuchen und ein bisschen Wellness-Urlaub machen abseits von schreienden Babys und umkippenden Gläsern im Restaurant. Muss man deswegen alle verurteilen oder gar beleidigen, die gerne welche haben? In diesem Zusammenhang verstehe ich auch nicht genau, warum Frau Brunschneider, die nach eigenem Bekunden gerne von Fluggesellschaften Entschädigungszahlungen hätte, wenn auf einem Flug ein Baby ständig schreit, sich ausgerechnet den Beruf der Lehrerin ausgesucht hat, wo sie den ganzen Tag mit schreienden CO2-Schleudern in einem Raum sitzen muss. Leicht masochistische Züge hat das schon. Vielleicht ist es aber auch alles nur eine Profilneurose. Neulich habe ich einen wunderbaren Witz gelesen, der mir gerade wieder einfiel: „Woran erkennt man einen Veganer? – Weil er es dir erzählt“.  Wir kennen sie alle, die nervtötenden Fleischvermeider, die nicht einfach in Ruhe an ein paar geschmacksarmen Algen und einer Tofu-Wurst kauen können, nein, sie müssen einem genau erklären, warum sie das tun, wie lange schon, wie toll sie sich seither fühlen und wieviel besser sie schlafen. Während man gleichzeitig auf einem saftigen Steak kaut bekommt man außerdem ungefragt aufgelistet, wie viele Tonnen CO2 die Rinderzucht in Argentinien täglich in die Luft pupst und einen Grundkurs in Tierquälerei durch Massentierhaltung. Früher haben Vegetarier einfach ihr Gemüse gegessen und die Klappe gehalten, heute sind sie auf Mission. Nein, wir sind nicht vom Thema abgekommen: Kinderfrei ist einfach das vegan der feministisch Gebärstreikenden. Als Fleischfresserin bin ich Tierquälerin und Klimasünderin. Als Mutter bin ich Egoistin und Klimasünderin. So what?

Es ist nicht nur mühsam, sondern auch sinnlos sich alle paar Jahre neu mit den kruden Selbstrechtfertigungsthesen politisch motivierter, kinderloser Feministinnen auseinander zu setzen. In einem hat Frau Brunschneider nämlich Recht: Es geht verdammt nochmal niemanden etwas an, warum oder warum nicht eine Frau Kinder hat, will oder auch nicht. Es gibt vernünftige, egoistische, faktische und auch tragische Gründe, warum inzwischen nahezu 30 Prozent aller Frauen kinderlos bleiben.

Was wir allerdings dringend einmal klären sollten, ist die Frage, wie wir als Gesellschaft damit organisatorisch, finanziell und vor allem gerecht umgehen. Denn ich empfinde es als Mutter wiederum als mühsam, mir in einer Wiederholungsschleife immer wieder anzuhören, wieviel Unterstützung wir doch als Eltern gerade von Kinderlosen für die Aufzucht unseres Nachwuchses erhalten. Wieviel mehr Steuern sie doch bezahlen und auch die Schulen unserer Kinder und wie sehr sie benachteiligt sind. Auch Frau Brunschneider spielt die Langspielplatte erneut ab. Eltern als Egoisten, die nur wegen des Geldes Kinder bekommen. Herrje, von einer Lehrerin hätte ich ein bisschen mehr Allgemeinbildung und Grundwissen über die einfachsten Zusammenhänge gesellschaftlichen Miteinanders erwartet, aber die Bildungsmisere Deutschlands bahnt sich offenbar nicht erst seit Kurzem, sondern schon seit Jahrzehnten an.

Deswegen ein paar Fakten und einen Vorschlag zur Güte: Eltern bekommen kein Geld vom Staat, sie zahlen drauf. Jedes Kind kostet Eltern zwischen 120 und 160-Tausend Euro bis es finanziell auf eigenen Beinen steht. Das habe nicht ich ausgerechnet, sondern diverse Wirtschaftsinstitute.  Der Staat wiederum verdient an jedem Kind nach Abzug aller Investitionskosten, die für Familienförderung, Schulen usw. anfallen am Ende netto rund 60.000 Euro mit jedem Kind, das anschließend zum Steuerzahler wird.  Eltern sein bringt kein Geld, es kostet. Kein Problem, ich mach das gerne und ich verlange nichts, aber ich kenne genug Eltern, die genauso sehr wie ich genug davon haben, sich ständig als Schmarotzer darstellen zu lassen, nur weil sie ins Humankapital der Gesellschaft investieren.  

Vorschlag also meinerseits, für alle jene bewussten Gebärverweigerer und auch -Innen, die nicht mehr für die Kinder fremder Eltern zahlen wollen: Ist gut. Wir finanzieren unsere Kinder sowieso alleine. Ich habe auch kein Problem damit, wenn bewusst kinderfreie Menschen sich lieber an Orten aufhalten, wo keine Kinder sind, weil meine Kinder sie stören. Umso besser. Müssen wir uns nicht streiten.  Ich möchte dann allerdings auch eine Gesetzgebung, die mir garantiert, dass meine vier Kinder nicht mehr gezwungen sind, die Renten für genau diese Leute zu bezahlen.  Ich sehe nicht ein, dass all jene, die mir heute meinen Egoismus, oder gar meine Unterwerfung an das Patriarchat vorwerfen, morgen von meinen Kindern finanziert werden müssen, wenn sie alt, krank und alleine sind. Wir hätten nämlich auch kein Problem mit weiblicher Altersarmut, wenn die Arbeitsleistung, die vor allem Frauen in das Aufziehen der nächsten Generation investieren, am Ende auch als Rente direkt bei ihnen ankäme. Ich kündige hiermit im Namen meiner vier Kinder den sogenannten Generationenvertrag, der meinen Kindern einseitig aufgezwungen hat, immer mehr Alte und die Brunschneiders dieser Welt, aber leider nicht ihre eigenen leiblichen Eltern im Alter unterstützen zu müssen.  Wenn wir uns also darauf einigen können, wünsche ich allen bewusst kinderfreien Menschen ein wunderbares, einsames Leben. 

Der Text erschien erstmals auf Focus Online.