Manchmal findet man sich selbst unvermittelt in Szenen wieder, bei denen man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Im Sommer stand ich wie immer und wie die meisten Frauen im Freibad nackt in der Sammeldusche der Frauen. Neben mir eine Dame im dunkelblauen Burkini, die ihren Burkini duschte. Szenen vom ländlichen Niederrhein. Die Zahl der Burkini-Trägerinnen in unserem Freibad wird analog zu den frauenfreien Männergruppen und der Tattoomasse jährlich größer. Ich sehe inzwischen auch junge Mädchen in Badebekleidung, die wir selbst früher nur zum Wellenreiten im französischen Atlantik gegen die Unterkühlung getragen haben. Knielange Hosen, Badeshirts mit Stehkragen und langen Ärmeln. Ich sehe Frauen, die mit Kopftuch Schwimmen gehen, manchmal Mädchen, die nicht älter als acht sein können, züchtig zum Freibaden verhüllt. Sind es dieselben Mädchen, die mir immer mit ihrer Mama in der katholischen Kleinbücherei begegnen? Diejenigen, die dort regelmäßig auftauchen sind definitiv nicht aus dem Grundschulalter raus. Ich kann nur noch ihr Gesicht sehen, der Rest ist komplett und bodenlang verhüllt. Früh übt sich, wer ein braves muslimisches Mädchen werden will. Wollen sie es wirklich? Hatten sie je eine Wahl?
Unsere Familienministerin Franziska Giffey findet ja, dass Burkinis auch eine prima Sportleidung für den schulischen Schwimmunterricht sein können. Sei ja schließlich besser, als dass die Mädchen gar nicht schwimmen lernen. Ja, was sind schon Frauenrechte, wenn man dafür ein Seepferdchen-Aufnäher auf den Burkini haben kann?
Wahlfreiheit für Frauen, wir reden in Deutschland viel und gerne darüber, wir klammern die Frage der Freiwilligkeit eines Kopftuches bei jungen Mädchen aus dieser Debatte aber immer aus. In der medialen Berichterstattung dominiert stattdessen die stolze Muslima, die ihr Kopftuch als feministischen Akt der Selbstverhüllung vor dem angeborenen Sexismus der Männer hochstilisiert. Man sagt uns, es sei ja nur ein Randphänomen mit den kleinen Mädchen. Außerdem ein Heißes Eisen und überhaupt, sei das juristisch nicht machbar. In dieses Horn bläst gerade auch die CDU in NRW. Die Staatssekretärin für Integration Serap Güler lässt verlauten, man wolle darauf verzichten, das #Kopftuch verbieten zu lassen und stattdessen „Aufklärungsarbeit in Kitas und Grundschulen“ machen. Das wird die Familien dieser Kinder sicher stark beeindrucken. Schon heute berichten Grundschullehrerinnen vermehrt, dass viele muslimische Väter nicht einmal mit den Lehrerinnen ihrer Kinder sprechen, weil es ja Frauen sind. Diese Väter warten sicher auf weitere Erziehungstipps von der Grundschullehrerin und eine Ermahnung, sich mal ein bisschen locker zu machen in Bezug auf ihre Töchter. Ich hatte mit Staatssekretärin Serap Güler bei Twitter darüber einen Disput, sie sagt, das sei eben „der Unterschied zwischen Wunsch und Realpolitik. Hier geht’s nicht darum, was Du oder ich für richtig halten, sondern was rechtlich möglich ist.“ Wir kennen uns schon eine Weile. Inhaltlich kommen wir allerdings nicht zusammen. Denn in meinen Augen lässt die CDU hier eine ganze Generation von Mädchen im Stich. Diese Mädchen haben keine Zeit, dass die deutsche Politik mit geduldiger Überzeugungsarbeit ihre Väter dazu bringt, ihnen Freiheit zu gewähren. Sie werden darüber Teenager und junge Frauen und hatten ihre Haare niemals frei im Wind und das mitten im freien Deutschland. Es gibt keine Frauenrechte zweiter Klasse. Es ist genaugenommen echter Rassismus, wenn wir für die Frauenrechte der muslimischen Mädchen weniger kämpfen, als für die Rechte aller anderen Mädchen.
Nein, es ist eben nicht der Unterschied zwischen Wunsch und Realpolitik, sondern allerhöchstens der Unterschied zwischen Prinzipien und Mutlosigkeit. Die Degradierung von Grundschulmädchen zu Sexualobjekten im Namen des Islam darf realpolitisch nicht stehen bleiben. Welche sexuellen Reize sendet denn bitte eine Achtjährige aus, vor denen man Männer schützen muss? Und was für Männer sind das, die vor dem Anblick der Haare eines Grundschulmädchens bewahrt werden müssen, weil sie sonst erregt sind? Alternativ hat übrigens noch niemand gefordert, stattdessen Männern die Augen zu verhüllen.
Man möge sich mal alternativ vorstellen, was in diesem Land los wäre, würden katholische Priester verlangen, Frauen und auch schon kleine Mädchen sollten doch bitte nur noch bodenlange Kleider tragen und ihre Häupter verhüllen, weil alles andere unanständig sei. Wir hätten Empörung in der Politik, haufenweise Femen-Aktivistinnen die sich bei Sonntagsmessen auf Altären entblößen, feministische Dauerschnappatmung in allen Talksendungen und die EKD würde noch mehr Workshops zum Vagina-Malen inklusive Wanderausstellung vor katholischen Kirchen initiieren. Was ich sagen will: Es ist der Islam, vor dem wir hier einknicken. Keiner anderen Religion würden wir zugestehen, ihre Frauen zu unterdrücken und das als kulturellen Unterschied bagatellisieren.
Der Islam will zu Deutschland gehören? Na dann herzlich willkommen in unserem Wertekanon, inklusive Säkularisierung und Religionsfreiheit, was eben auch bedeutet, frei von Religion sein zu dürfen, ohne dafür einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Das Kopftuchverbot wenigstens für Kleinkinder in Kitas und Schulen ist überfällig. Und man komme mir bitte nicht damit, das sei juristisch nicht umsetzbar. Frankreich kann es, Österreich kann es, selbst die Türkei hatte früher ein Kopftuchverbot für Schulen und Universitäten. Die Türkei!! Ich bin nicht mehr bereit hinzunehmen, dass aus falscher Rücksichtnahme auf eine Religion Frauenrechte geopfert werden. Wir können erwachsene Frauen nicht zwingen, ihr Kopftuch abzulegen, aber wir können jungen Mädchen einen Schutzraum bieten in den Kindergärten und Schulen, wo sie genau so frei sein können, wie jedes andere Mädchen auch. Integration bedeutet nämlich, dass wir in unser gutes und bewährtes Wertesystem integrieren und nicht, dass wir unser Wertesystem aufgeben.
Der Artikel erschien erstmals auf FOCUS online.